Neuropsychologie nach einem Schlaganfall – Wege zurück zur geistigen Stärke

Ein Schlaganfall trifft viele Menschen unerwartet und verändert ihr Leben oft von einem Moment auf den anderen. Neben körperlichen Einschränkungen – wie Lähmungen oder Sprachstörungen – erleben viele Betroffene auch Veränderungen in ihren geistigen Fähigkeiten. Diese kognitiven Beeinträchtigungen sind nicht immer sofort sichtbar, können jedoch den Alltag massiv beeinflussen. Genau hier setzt die klinische Neuropsychologie an: Sie hilft, die unsichtbaren Folgen eines Schlaganfalls zu erkennen, zu verstehen – und Schritt für Schritt daran zu arbeiten.

Was passiert im Gehirn bei einem Schlaganfall?

Ein Schlaganfall entsteht meist durch eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn (ischämischer Schlaganfall) oder durch eine Hirnblutung (hämorrhagischer Schlaganfall). In beiden Fällen kommt es zu einer Schädigung von Nervenzellen. Je nachdem, welche Hirnregion betroffen ist, können unterschiedliche Funktionsbereiche gestört sein – von Bewegung und Sprache über Wahrnehmung bis hin zu Denken, Fühlen und Erinnern.

Kognitive Folgen eines Schlaganfalls – was bedeutet das konkret?

Viele Patient:innen berichten nach einem Schlaganfall über „Gedächtnislücken“, Konzentrationsprobleme oder Schwierigkeiten beim Planen und Strukturieren des Alltags. Diese neuropsychologischen Symptome zeigen sich häufig in folgenden Bereichen:

1. Aufmerksamkeit und Konzentration
  • Die Fähigkeit, sich über längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren, ist oft reduziert.
  • Ablenkungen – z. B. durch Umgebungsgeräusche – werden schlechter ausgefiltert.
  • Auch das gleichzeitige Ausführen mehrerer Aufgaben (Multitasking) fällt vielen schwer.
2. Gedächtnis
  • Neue Informationen lassen sich schwerer merken.
  • Das Abrufen von Erinnerungen kann stocken.
  • Häufige Situationen: Man vergisst Termine, Namen oder was man gerade tun wollte.
3. Exekutive Funktionen
  • Diese „steuernden“ Fähigkeiten wie Planen, Organisieren, Problemlösen oder das Einhalten von Regeln können beeinträchtigt sein.
  • Viele berichten, dass sie sich „langsamer im Denken“ fühlen oder Probleme haben, Entscheidungen zu treffen.
4. Sprache und Kommunikation
  • Wenn Sprachzentren im Gehirn betroffen sind, kann eine Aphasie (Sprachstörung) entstehen.
  • Das Sprechen, Verstehen, Lesen oder Schreiben kann erschwert sein – oft in unterschiedlicher Ausprägung.
5. Räumliche Wahrnehmung und visuelle Störungen
  • Manche Patient:innen nehmen Teile des Raumes oder ihrer eigenen Körperhälfte nicht mehr wahr (sog. Neglect).
  • Auch Seheinschränkungen wie Gesichtsfeldausfälle (z. B. Hemianopsie) sind häufig.

Diese Symptome sind nicht immer offensichtlich – weder für die Betroffenen selbst noch für Angehörige oder Ärzt:innen. Umso wichtiger ist eine spezialisierte neuropsychologische Diagnostik.

Wie hilft die Neuropsychologie nach einem Schlaganfall?

Die klinische Neuropsychologie ist ein spezialisierter Bereich der Psychologie, der sich mit den Zusammenhängen zwischen Gehirn und Verhalten beschäftigt. Nach einem Schlaganfall hilft sie dabei:

  • Beeinträchtigungen systematisch zu erfassen, z. B. durch standardisierte Testverfahren.
  • Ressourcen und Stärken herauszuarbeiten, um sie gezielt im Alltag einzusetzen.
  • Individuell zugeschnittene Therapieansätze zu entwickeln.

Dabei geht es nicht nur um das „Training“ kognitiver Funktionen – sondern auch um das Erlernen von Strategien, um mit Einschränkungen umzugehen und den Alltag wieder selbstbestimmt zu gestalten.

Ziele und Methoden der neuropsychologischen Therapie

Die Therapie orientiert sich immer an den individuellen Bedürfnissen und Lebenszielen der Betroffenen. Häufige Bausteine sind:

Funktionstraining

Gezielte Übungen zur Wiederherstellung beeinträchtigter kognitiver Fähigkeiten (z. B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Problemlösung). Diese Übungen können sowohl am Computer als auch in Papierform oder alltagsnah durchgeführt werden.

Kompensation und Strategietraining

Wenn bestimmte Funktionen nicht vollständig zurückkehren, lernen Patient:innen, alternative Wege zu nutzen: z. B. sich über Notizen, Kalender-Apps oder andere Hilfsmittel zu organisieren.

Psychoedukation

Ein besseres Verständnis über die eigenen Symptome – und deren Entstehung – ist oft der erste Schritt zur Veränderung. Angehörige werden hier oft mit einbezogen.

Emotionale Stabilisierung

Ein Schlaganfall hinterlässt nicht nur körperliche und geistige Spuren, sondern auch seelische. Ängste, Unsicherheiten oder depressive Verstimmungen sind häufig. Auch diese psychischen Belastungen werden im Rahmen der Therapie berücksichtigt.

Ganzheitliche Angebote in unserer Praxis in Bremen und Oldenburg:

In unserer Praxis bieten wir weit mehr als nur klassische neuropsychologische Therapie. Unser interdisziplinäres Angebot umfasst auch:

  • Resilienztraining und Stressmanagement zur Stärkung psychischer Widerstandskraft
  • Achtsamkeitstraining für mehr innere Ruhe und Selbstwahrnehmung
  • Gespräche zur beruflichen Wiedereingliederung oder Alltagsstrukturierung
  • Angehörigenberatung

Die kognitive Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Fortschritte können klein erscheinen – aber jeder Schritt zählt. Die Neuropsychologie unterstützt Betroffene dabei, ihre geistige Leistungsfähigkeit neu zu entdecken und mit den Veränderungen umzugehen. Mit Fachwissen, Empathie und einer klaren Zielorientierung begleiten wir Sie auf diesem Weg.

Wenn Sie Fragen haben oder ein unverbindliches Gespräch wünschen, sprechen Sie uns gern an. Wir sind für Sie da.

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